Ein knappes Jahr von der Idee über die Planung bis hin zur Durchführung: Jetzt liegt der Island-Fotoworkshop schon wieder sieben Wochen zurück – die meisten Teilnehmer (und mich) hat der Arbeitsalltag längst wieder – Zeit für einen kleinen Rückblick.
Reisefragmente
Ich reiste schon ein paar Tage vor Workshopbeginn nach Island, um noch ein paar Kleinigkeiten vorzubereiten und um mich auf das anstehende Abenteuer einzustimmen.
Nach einer Nacht in Grindavík schlug ich mein Lager für die restlichen Nächte bei Julia und Maik in Julia’s Guesthouse auf. Endlich hatte ich Gelegenheit, Kerlingafjöll zu besuchen. Die ersten Tage waren geprägt von blauem Himmel und strahlender Sonne, in der Nacht wurde ich von wunderbarem Polarlicht überrascht – sehr ungewöhnlich für Ende August.
Am ersten Tag des Workshops wollte ich dann noch ein paar Kleinigkeiten in Reykjavík erledigen, doch ein allergischer Schock zwang mich dazu, umzuplanen: ich verbrachte ein paar Stunden im Krankenhaus von Selfoss. Im Radio liefen die aktuellsten Berichte über den Vulkan Bárðarbunga, der wohl endlich ausgebrochen war (- was sich kurze Zeit später als Falschmeldung heraus stellte – es brauchte noch ein paar Tage bis zum tatsächlichen Ausbruch).
Tag 1 – Treffen und Welcome Dinner
Bis zum Eintreffen der Workshopteilnehmer war ich dann aber doch wieder in Reykjavík, auch wenn ich (zombieähnlich) kaum aus den Augen schauen konnte. Claudia, Sascha, Lothar und Jürgen waren von Deutschland angereist, Detlev hatte eine 20-stündige Anreise von Shanghai in den Knochen – zum Begrüßungsdinner am Stadtteich trafen wir dann auch noch Hinrik, unseren deutschsprachigen “Driver Guide” – der Start in eine lange Woche voller tiefer Eindrücke.
Tag 2 – Erste Annäherung
Gleich nach dem Frühstück verließen wir Reykjavík Richtung Südosten. Kurz hinter Hveragerði bauten wir zum ersten Mal unsere Stative an einem dampfenden, ausgetrockneten Schlammtopf auf. Erste Gelegenheit, die verschiedenen Filtersysteme der Teilnehmer zu sichten und unter der dunklen Wolkendecke Langzeitbelichtungen zu probieren – Hinrik, unser Fahrer, beäugte uns interessiert (oder vielleicht doch eher irritiert?): er hatte noch nicht viele Fotoworkshops begleitet und meinte später: “Fotografen sind ein bisschen speziell.”
Weiter ging es zum Urriðafoss, dem wasserreichsten Wasserfall Islands, zum hintergehbaren Seljalandsfoss und zum Skógafoss.
Zwischendurch erwanderten wir uns das alte Schwimmbad von Seljavellir, das sich mit einer Längsseite an den Fels anschmiegt und von einer heißen Quelle gespeist wird. Claudia und ich ließen uns die Gelegenheit nicht entgehen und nahmen ein Bad.
Nach dem Abendessen – es gab sehr leckeres Lamm im Bauerngasthof Steig – fuhren wir nochmal zurück zu den Gesteinsformationen bei Holtsós, die – aus dem richtigen Winkel betrachtet – perfekt kreisförmig im Wasser angeordnet liegen.
Tag 3 – Die Felsnadeln vor Vík
Gleich nach dem Frühstück starteten wir zum Strand von Sólheimasandur, um das Wrack einer alten amerikanischen Douglas-Militärmaschine zu fotografieren.
Das Flugzeug war im November 1973 notgelandet, Menschen kamen dabei nicht ums Leben. Für Claudia war das Fotografieren des Wracks ein Höhepunkt der Reise, während Detlev sich lieber Langzeitbelichtungen am schwarzen Sandstrand widmete.
Das Endzeitszenario wurde noch durch einen Videodreh untermalt: ein einsamer Cowboy mit Hut und Gitarre auf dem Rücken musste endlos den Horizont abschreiten, bis sein Kameramann endlich zufrieden war – und wenig später kam dann noch eine Gruppe amerikanischer Touristen dazu, die in Windeseile eine Drohne zusammen bauten und das Flugzeugwrack aus der Vogelperspektive filmten.
Wir fuhren noch ein Stück weiter zurück in den Westen und machten einen Ausflug zum Kvernufoss, der sich in unmittelbarer Nähe des Skógafoss befindet und wunderbar gelegen ist. Diesen Wasserfall hatten wir wieder für uns alleine, so dass wir uns viel Zeit ließen, um verschiedene Kompositionen und Techniken auszuprobieren.
Am Nachmittag ging es dann weiter zum Kap Dyrhólaey, wo wir bei wunderbaren Lichtstimmungen und wolkenverhangenem Himmel fotografierten. Mit Blick auf die Felsnadeln vor Vík und den vorgelagerten Adlerfelsen entstanden weitere stimmungsvolle Aufnahmen.
Nach dem Abendessen – diesmal gab es Fisch – fuhren wir zum Sonnenuntergang ganz dicht an die Reynisdrangar heran. Die Basaltfelsen oberhalb des schwarzen Strandes waren noch von Papageitauchern bevölkert – normalerweise ziehen diese spätestens Mitte August zum Überwintern zurück aufs freie Meer – sehr ungewöhnlich und besonders.
Tag 4 – Abstecher nach Landmannalaugur
Der vierte Tag des Workshops führte uns endlich ins Hochland: nach einem Besuch des schwarzen Sandstrands von Vík (diesmal auf der östlichen Seite) ging es weiter auf der Ringstraße Richtung Osten, um schließlich über die F208 gen Landmannalaugar zu fahren.
Auf dem Weg ins Hochland gab es immer wieder wunderbare Landschaften und Lichtstimmungen zu bestaunen, und wir machten einen ausgiebigen Halt an den “Silver Falls”.
Mit reichlich Verspätung trafen wir schließlich in Landmannalaugar ein.
Die für dort geplante leichte Wanderung mussten wir ein wenig abkürzen. Hinrik gelang es, das bestellte Abendessen telefonisch auf den späteren Abend zu verschieben – wir mussten also nicht hungern, als wir im Guesthouse Lambastadir eintrafen, in dem wir für drei Nächte unsere Lager aufschlagen wollten.
Tag 5 – Alles fließt
“Nicht schon wieder Wasserfälle!” – so (oder so ähnlich) klang die Reaktion meiner Workshopteilnehmer, als wir beim Frühstück das Tagesprogramm besprachen. (Der Seljalandsfoss mit seinem Sprühnebel wirkte immer noch nach.) Aber zu diesem Zeitpunkt ahnten sie noch nicht, dass mit dem Brúarfoss und dem Hlauptungufoss zwei wirklich einzigartige Wasserfälle auf uns warten sollten, die wir an diesem Tag auch ganz für uns alleine hatten.
Wir nahmen uns viel Zeit für diese besonderen Orte, und am späteren Nachmittag ging es dann weiter zu den von Touristen frequentierten Geysir und Gullfoss. Nach dem Abendessen in Fluðir ging es dann direkt zurück ins Gästehaus, wo Claudia, Lothar und ich noch – typisch isländisch – ein kaltes Bier im Hot Pot tranken, um den Tag ausklingen zu lassen.
Tag 6 – Portraitshooting am Kleifarvatn
Für heute stand ein weiterer Höhepunkt des Fotoworkshops auf dem Programm: ein Ausflug in die Portraitfotografie mit zwei isländischen Models! Am Vormittag besuchten wir aber zuerst Ðingvellir, die alte Versammlungsstätte der Isländer, durch die der Kontinentalgraben verläuft, der Amerika von Europa trennt. Wir bestaunten die Taucher, die ins glasklare Wasser der Silfra-Spalte abstiegen und freuten uns am passenden Warnschild an der Straße, das die Autofahrer auf querende Taucher aufmerksam macht.
Über Mittag machten wir auf Wunsch der Workshopteilnehmer noch einen Abstecher ins 66°North Outlet (Faxafen 12, Reykjavík), wo wir das eine oder andere Schnäppchen erstanden – danach gönnten wir uns noch ein legendäres isländisches Softeis – die Konfigurationsmöglichkeiten über Größe, Eissorte, Soße und Streusel überforderten uns beinahe, aber die fertigen Eistüten konnten sich allesamt sehen lassen und schmeckten vorzüglich – Claudia hatte eine After Eight-Kreation, Saschas sah eher nach Beulenpest aus.
Um 14:00 Uhr waren wir dann mit unseren beiden Models verabredet, um gemeinsam Richtung Kleifarvatn zu fahren, und mein schlimmster Albtraum wurde (beinahe) wahr: eines der Models erschien nicht zum verabredeten Zeitpunkt, und auf Nachfrage kam dann die Antwort, die man in einem solchen Augenblick nicht hören möchte: “Is it today?!” Irgendwie hat es dann doch noch geklappt – Hjördís stieß eine halbe Stunde verspätet zu uns, und das Portrait-Shooting in der Lava- und Mooslandschaft so wie rund um einen still gelegten Stall zauberten allen Fotografen (und auch den Models) ein Lächeln ins Gesicht.
Hinrik bewies zusätzliche Qualitäten als “Abschatter”, um das harte, direkte Sonnenlicht abzuhalten.
Am Abend gab es noch einen kulinarischen Höhepunkt: Der Besuch des auf Hummer spezialisierten Restaurants Fjöruborðið in Stokkseyri war einfach ein großartiges Erlebnis – Lage, Atmosphäre und Qualität des Essens waren grandios – hier werde ich bei meinen nächsten Besuchen auf Island auf jeden Fall wieder Halt machen.
Im Hot Pot des Gästehauses hielten wir in der Nacht Ausschau nach Polarlichtern, aber leider zog der Himmel im Laufe des Abends immer weiter zu, und auf unseren Testbelichtungen war leider kein grünes Licht, sondern nur die Spuren der Lichtverschmutzung von Selfoss zu erkennen.
Tag 7 – Reise nach Snæfellsnes
Bei der Weiterfahrt unterhielt uns Hinrik mit weiteren historischen Anekdoten: Begriffe wie “der lebhafte Bischof” oder “der Schwiegermutterfelsen” wurden mit Leben gefüllt und begleiteten uns für den Rest der Reise – danke dafür, Hinrik!
Über Ðingvellir, wo wir uns reichlich Zeit nahmen, den vor langer Zeit künstlich angelegten Öxarafoss zu fotografieren, ging es am siebten Tag weiter zu den Hraunfossar: Auf einer Länge von ca. 700 Meter strömt in über hundert kleinen Wasserfällen schäumend und sprudelnd Wasser aus dem schwarzen Gestein des ca. 1.000 Jahre alten Lavafeldes, ein außergewöhnliches Naturspektakel. Unser eigentliches Ziel an diesem Tag war aber Grundarfjörður auf der Halbinsel Snæfellsnes mit dem magischen Tafelberg Kirkjufell. Wir schafften es zwar, rechtzeitig zum Sonnenuntergang vor Ort zu sein, aber ein leichter Nieselregen ließ keine rechte Fotostimmung aufkommen an diesem Abend.
Tag 8 – Vom Mt. Kirkjufell nach Buðir
Am nächsten Morgen riss der Himmel ein wenig auf, und wir konnten uns nach dem Frühstück ausgiebig dem Kirkjufell widmen. Während der Weiterfahrt machten wir Halt an Aussichtspunkten, die uns weite Blicke auf die imposanten Fjord- und Küstenabschnitte im Norden von Snæfellsnes bescherten. Claudia hielt ihre Eindrücke zeichnerisch fest – eine schöne Alternative zum Fotografieren, da das Sehen und Erleben vielleicht noch bewusster passiert.
Während der Weiterfahrt wurde das Wetter immer schlechter, aber mit Erreichen unseres nächsten Ziels hörte der Regen so plötzlich auf, wie er begonnen hatte: wir ließen den schwarzen Strand von Djúpalónssandur auf uns wirken – was für ein wunderbarer Ort!
Von Arnarstapi aus wanderten wir entlang der Steilküste zurück nach Hellnar, wo wir in meinem Lieblings-Kaffi Fjöruhúsið einen Kaffee tranken.
Unser Gästehaus für diese Nacht lag in der Mitte eines Golfplatzes – Hinrik fühlte sich wie im Paradies und absolvierte den Parcours noch schnell vor dem Abendessen.
Im Restaurant des Gästehauses spielte er dann sogar ein paar Gitarrenstücke für uns, und zum Abschluss des Tages ging es zum Sonnenuntergang noch zur schwarzen Holzkirche Búðir.
Tag 9 – Rückkehr nach Reykjavík und “Farewell Dinner”
Die Wettervorhersage für den letzten Workshop-Tag war leider alles andere als gut. Ein Orkantief sorgte dann auch für heftigen Sturm und starken Regen, als wir uns auf den Weg zurück nach Reykjavík machten. Hinrik unterhielt uns auf der Fahrt mit interessanten und amüsanten Islandgeschichten. Wir machten einen kurzen Abstecher zur versteckt gelegenen heißen Quelle Landbrotalaug.
Für weitere Fotostopps war das Wetter zu schlecht, so dass wir schon am frühen Nachmittag in Reykjavík eintrafen und so noch ein wenig die Stadt erkunden konnten.
Ein kleiner Ausflug in die Street Fotografie rundete den Workshop ab.
Letzter kulinarischer Höhepunkt war dann noch der Besuch des Grillmarkaðinn und das 8-gängige Tasting Menu – jeder Gang für sich sehr lecker, und nach dem Dinner hieß es Abschied nehmen von Hinrik, der uns ein letztes Mal zum Hotel brachte – gegen vier Uhr früh stand dann der Transfer der Workshopteilnehmer zum Flughafen Keflavík an – ich durfte noch bis um sechs Uhr liegen bleiben.
Nachklang
Nach der Abreise der Workshopteilnehmer ging es für mich weiter zum Inlandsflughafen in Reykjavík – mit einer kleinen Propellermaschine flog ich nach Höfn in den Südosten Islands – für die letzten beiden Tage hatte ich mir vorgenommen, den Felsen Vestrahorn zu fotografieren.
Leider machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung – starker Wind und tief stehende Wolken verhüllten den Felsen zu großen Teilen, und so musste ich mich auf die Suche nach alternativen Motiven machen.
Bei der Fahrt zurück entlang der Südküste kam ich dann auch noch an der Gletscherlagune Jökulsárlón mit ihren bizarren Eisskulpturen vorbei – inzwischen war der Himmel wieder blau.
Früh am nächsten Morgen ging es dann auch für mich wieder zurück – Zeit, die vielen Eindrücke zu verarbeiten und sich an viele außergewöhnliche Augenblicke zu erinnern.
Ganz lieben Dank an alle Workshopteilnehmer und an unseren Reiseführer und Fahrer Hinrik für die intensiven und harmonischen Tage auf dieser ganz besonderen Insel im Nordatlantik!